Corona belastet Familien

Erfahrungen von Mitarbeitenden der Diakonie im WZ-Bericht von Katharina Rüth.

Bärbel Hoffmann, Diakonie Wuppertal

Eltern müssen arbeiten und Kinder betreuen – von mehr Gewalt berichten die Behörden aber noch nicht

Corona-Krise belastet Familien

Wz-Bericht vom 07.05. von Katharina Rüth

Die Corona-Pandemie hat vor allem das Leben von Familien mit Kindern verändert: Sie sind seit der Schließung von Kitas und Schulen am 16. März zu Hause. Eltern müssen jetzt zusätzlich Betreuer und Hilfslehrer sein und die Kinder mit Essen versorgen. Vermehrt problematische Situationen oder mehr Gewalt haben die Behörden aber bisher nicht festgestellt.

„Dass alles gleichzeitig sein muss, ist das, was wirklich schwierig ist“, sagt Frauke Fechtner. Die Pressereferentin der IHK arbeitet derzeit von zu Hause, schreibt und telefoniert, während sie ein Auge auf ihre Töchter, drei und sieben Jahre alt, hat. Ihr Mann muss weiter ins Büro. Die Große sei zum Glück gut mit den Aufgaben der Schule beschäftigt, aber die Kleine suche beim Spiel öfter Ansprache. Da kann es passieren, dass während eines Telefongesprächs eine Kinderstimme nach der Mama verlangt, diese etwas zu essen herausholen oder gar das Telefonat plötzlich beenden muss, weil ein Kind die Gartenschaukel an den Kopf bekommen hat.

Auch Kathrin Lotz, Einkäuferin für ein Parfümerie-Unternehmen, und ihr Mann mussten Arbeit und Kinderbetreuung neu organisieren. „Wir arbeiten jetzt im Schichtbetrieb“, erklärt Kathrin Lotz. Ihr Mann geht nun von 6 bis 12 Uhr ins Büro, macht dabei Minusstunden. Sie hütet solange die Söhne, anderthalb und sechs Jahre alt, und kocht das Mittagessen. Dann übernimmt ihr Mann die Kinder, sie geht an ihren Laptop. „Nach dem Abendbrot sitzt man erschöpft auf der Couch“, sagt sie. Sie genieße zwar die Zeit mit den Kindern, habe aber auch Tage, an denen sie denkt: „Ich kann nicht mehr.“ Vor der Corona-Krise hätten sie auch mal jeder Zeit für sich oder als Paar gehabt, das falle jetzt weg.

Von der Belastung der Familien durch die zusätzlichen Aufgaben berichten auch die Erziehungsberatungsstellen Wuppertals. Weil die Eltern alles gut machen wollten, sei das zusätzlicher Druck. Julia Weyand von der Beratungsstelle der Caritas sagt: „Der Spagat Kinder und Arbeit führt bei einigen zu großer Erschöpfung.“

Familien haben Stress, können den aber bewältigen

„Wir raten dann, den Anspruch nicht so hoch zu setzen“, sagt Bärbel Hoffmann, Geschäftsführerin der Diakonie Kinder Jugend Familie. Und Heike Neusser von der städtischen Beratungsstelle sagt: „Wir empfehlen, sich zu fragen, was wichtiger ist: dass das Kind die Mathe-Aufgaben gut macht oder dass sie diese besondere Zeit gut miteinander überstehen?“ Bei allen drei Beratungsstellen heißt es, dass die Eltern zwar gestresst sind, dass sie aber bisher nicht mehr Anrufe haben als sonst. Die Arbeit haben sie umgestellt, statt Gesprächen in der Beratungsstelle läuft alles per Telefon, auch mit Konferenzschaltung, so dass Eltern und Kinder teilnehmen können. Dafür haben sie jeweils die Telefonzeiten ausgebaut.

Julia Weyand sagt: „Wenn es vorher schon Konflikte gab, da kann es sich jetzt zuspitzen.“ Jugendlichen fehle zudem der direkte Kontakt mit Gleichaltrigen. Sie weist darauf hin, dass sich die sonst oft kritisierte Handynutzung der Jugendlichen in dieser Situation als Vorteil erweise. So könnten sie doch Kontakt zu Freunden halten.

Auch Doris Büller-Niederberger, Soziologin an der Universität, betont die Bedeutung der Gleichaltrigen: „Sie sind wichtige Vertrauenspersonen, oft wichtiger als die Eltern, gerade auch bei Problemen in der Familie.“ Sie gäben Jugendlichen zudem wichtige Rückmeldungen zum eigenen Verhalten. Dabei können Familien durch die Pandemie noch mehr Sorgen haben, weil Eltern in Kurzarbeit sind oder sogar die Arbeit verloren haben. Und viele Familien haben keinen Garten, sondern halten sich zusammen in kleinen Wohnungen auf.

Davon weiß Gerd Bunk zu berichten. Er ist Bereichsleiter bei der Diakonie und unter anderem für die „Flexiblen Erziehungshilfen“ zuständig, bei denen Mitarbeiter Familien auch zu Hause aufsuchen. Bei besonders belasteten Familien haben solche Besuche auch das Ziel, problematische Situationen früh zu erkennen. Dann sei mit dem Jugendamt festgelegt, dass ein- oder zweimal in der Woche solche Besuche stattfinden. Seit die Kontaktverbote gelten, hätten sie sorgfältig abgewogen, wie sie diese Familien weiter betreuen, diese mal draußen getroffen, mal mit Masken besucht, berichtet Gerd Bunk. Und darüber hinaus bei Bedarf häufiger mit ihnen telefoniert. Bei beengten Wohnverhältnissen hätten sie durchaus mehr Spannung wahrgenommen – zwischen Partnern und zwischen Geschwistern – da fehle etwa die Möglichkeit, sich auf dem Bolzplatz auszutoben. Dann hätten sie Eltern mit Beschäftigungsideen und Tipps für Aktivitäten draußen versorgt.

Beim Thema Lernen zu Hause war öfter praktische Hilfe gefragt – wenn die Familie etwa keinen Drucker hat: „Wir sind auch abends noch zu den Familien gefahren und haben Ausdrucke in Briefkästen geworfen, die wir im Büro für sie gemacht haben.“ Dass die Kinder kein kostenloses Mittagessen mehr in Schule und Kita bekommen, könne für einzelne Familien ein Problem sein, wenn es schon finanzielle Sorgen gibt. Auch Gerd Bunk sagt, er erlebe derzeit nicht mehr Probleme. Und Bernhard Redecker, Fachbereichsleiter beim Jugendamt, sagt: „Wir haben aktuell eher weniger Meldungen zur Kindeswohlgefährdung als sonst.“ Ob das am guten Wetter lag, ob die Meldungen sie erst später erreichen, bleibe abzuwarten.

text aus wz vom 07.05.2020/ör-wj