Andacht: Jesus Christus spricht: "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen" (Johannes 6, 37)

In ihrer Andacht zur Jahreslosung 2022 schreibt Frau Iris Fabian, Pastorin der Diakonische Altenhilfe Wuppertal, über Abweisung und findet dabei auch Beispiele in ihrer eigenen Kindheit.

Abgewiesen zu werden ist eine unangenehme Erfahrung. Die früheste Erfahrung einer Abweisung, an die ich mich erinnern kann, war, als ich noch in die Grundschule ging. Ich hatte eine Schulfreundin, sie wohnte nur 5 Minuten zu Fuß von uns entfernt. Es war ein Tag, an dem ich mit den Hausaufgaben schnell fertig war. Ein Tag wie gemacht dafür, um gemeinsam mit meiner Freundin nachmittags ein paar schöne Stunden zu verbringen. In Gedanken malte ich mir aus, was wir alles zusammen unternehmen könnten. Wir könnten mit den Barbies spielen, Puppentheater machen. Oder wir könnten rausgehen und verstecken spielen. Oder wir könnten etwas ganz anderes machen, falls Tanja einen besseren Vorschlag hatte. Als ich vor der Tür ihres Hauses stand und klingelte, öffnete die Mutter. "Tanja hat heute keine Zeit. Sie muss noch Hausaufgaben machen. Und danach besuchen wir ihre Oma", sagte sie. Noch bevor ich Gelegenheit hatte, etwas dazu zu sagen, war die Tür schon wieder zu. In dem Moment habe ich mich sehr verletzt gefühlt.

Abweisung ist auch Jesus nicht fremd gewesen. Im Markus-Evangelium wird berichtet, wie Jesus eines Tages in sein Heimatdorf kam. Die Menschen erkannten ihn: "Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. ...Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben" (Mk 6, 3.5.6). Beim Lesen der Verse fällt auf: Die Menschen in seinem Dorf wussten einiges über Jesus. Dass er der Sohn der Maria ist und dass er eine Reihe von Geschwistern hat. Sie wussten aber nicht, dass nicht Jesus, sondern sein Vater Josef von Beruf Zimmermann ist. In unserer Zeit ist es ähnlich. Es gibt Menschen, die wissen dies und das über Jesus. Dass er in Bethlehem geboren wurde und dass er immer wieder Menschen von ihren Krankheiten geheilt hat. Sie wissen aber nicht, dass Jesus das heute noch tut. Würden sie ihn persönlich kennen, dann wüssten sie, dass Jesus der Heiland der Welt ist, der Messias, der auch heute Menschen von ihren Sünden befreit und niemanden abweist, der zu ihm kommt.

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Die Losung für das Jahr 2022 will ein Leitwort für kirchliche und diakonische Einrichtungen sein, aber nicht nur. Sie ist auch ein Wort, das sich an unsere Gesellschaft als ganze richtet. Weil so wie damals zur Zeit Jesu auch in unserer Gesellschaft Krankheiten grassieren. Dabei denke ich nicht an Corona oder ähnliches. Ich denke an den Hass, den manche Menschen in sich tragen. Ihre Wut auf staatliche Institutionen und auf Personen des öffentlichen Lebens. Ihre Bereitschaft zur Gewalt gegen Menschen und Sachen und nicht zuletzt ihre Weigerung, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist. Von diesen und anderen Gebrechen heilt Jesus die Erkrankten, wenn sie nur zu ihm hingehen. Wer zu Jesus kommt, dem wird es nicht ergehen wie mir, als ich seinerzeit zu meiner Freundin Tanja gegangen bin und an der Tür abgewiesen wurde. Jesus hat seine Tür für uns immer offen stehen. Haben wir durch diese Tür hindurch den Raum des Glaubens erst einmal betreten, bricht für uns als einzelne und als Gesellschaft eine neue, eine bessere Zeit an.

Iris Fabian, Pastorin der Diakonische Altenhilfe Wuppertal
6. Januar 2022