„Ich möchte mit euch besprechen, was das Leben kostet“: So hat Anke Lichte ihre Unterrichtsstunden zum Thema Schulden immer begonnen. Es ging um das erste eigene Konto, das erste Gehalt, den Führerschein, die Miete, den Urlaub – und wie sich der Überblick über alle Ein- und Ausgaben behalten lässt. Ein trockener Stoff, den sie mit Spielen und vielen Beispielen aus dem Alltag lebendig gemacht hat. „Man kann nicht früh genug damit anfangen, den Umgang mit Geld zu lernen“, ist sie überzeugt. Viele Jahre war die Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie Wuppertal – Soziale Teilhabe mit dem Thema Finanzen an Wuppertaler Schulen unterwegs.
Doch dafür fehlen heute die Mittel. Das Thema finanzielle Bildung ist in den Hintergrund gerückt. Dabei wäre es dringender denn je, betont die Juristin. Täglich erlebt sie, wie Menschen in schlimme Schuldenfallen geraten sind und nur noch mit Hilfe herausfinden können. Über 1.200 Beratungsfälle gab es im vergangenen Jahr, davon rund 1.000, für die deutlich mehr als eine Beratung nötig war, um wieder Ordnung in das Finanzchaos zu bringen. Zehn Mitarbeitende, darunter Jurist:innen, Betriebswirt:innen; Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen sind voll ausgelastet. Die Warteliste für einen Termin ist lang.
Keine Akte ohne Klarna
„Der Onlinehandel mit seinen Bezahldiensten wie Klarna und die ständigen Angebote an Ratenzahlungen machen es den Menschen heute leicht, den Überblick über ihre Finanzen zu verlieren und in die Überschuldung zu geraten“, sagt Anke Lichte. Auch die ständige Werbung von Influencern auf Social Media für Produkte, die mit einem Klick gekauft werden können, macht sich zunehmend bemerkbar. „Wir haben hier kaum noch eine Akte ohne Klarna.“
Dem ungebremsten Konsumverhalten steht mangelndes Wissen über die Finanzwelt gegenüber, die mit ihrer Kreditvergabe, Kontoführung und Versicherungen immer komplexer geworden ist. „Genau hier müsste so früh wie möglich angesetzt werden mit Angeboten zur finanziellen Bildung, die schon in der Kita beginnen und bis ins Seniorenalter reichen“, betont Anke Lichte. „Denn finanzielle Bildung ist weit mehr als der bloße Umgang mit Geld. Sie ist der Schlüssel zu Eigenverantwortung, gesellschaftlicher Teilhabe und einem selbstbestimmten Leben.“
Aktionswoche zur „Investition Finanzbildung“
Genau darauf macht auch die bundesweite Aktionswoche Schuldnerberatung aufmerksam, die in diesem Jahr vom Montag (02.06.) bis Freitag (6. Juni) unter dem Motto „Beste Investition Finanzbildung – Wenn aus Minus Plus wird“ stattfindet.
In den Lehrplänen aller Schulformen sollte sich das Thema finanzielle Bildung wiederfinden, fordert die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, die die bundesweite Aktionswoche organisiert. Der Zugang für alle Menschen jeder Altersstufe zu regelmäßigen, kostenlosen Präventions- und Unterstützungsangeboten sollte gewährleistet werden. Die Arbeitsgemeinschaft, die die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege vertritt, sieht hier die Politik in der Pflicht, eine gesetzlich verankerte Finanzierung für finanzielle Bildung zu schaffen.
„Das ist gut investiertes Geld“, betont Anke Lichte. „Aus meinem Unterricht kann ich nur bestätigen, dass junge Menschen, die frühzeitig mit guten Materialien im richtigen Umgang mit ihren Finanzen geschult werden, ein wesentlich geringeres Risiko haben, in die Verschuldungsfalle zu geraten.“ Neulich, so erzählt die Juristin, habe sie eine ehemalige Schülerin wiedergetroffen, die ihren Führerschein gemacht hatte. „Statt für ein schickes, neues Auto Schulden zu machen, hat sie einen älteren Gebrauchtwagen gekauft. Als sie mir davon erzählte, war ich richtig stolz.“
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Text und Fotos: Sabine Damaschke
Die Schuldner- und Insolvenzberatung ist unter schuldnerberatung@diakonie-wuppertal.de zu erreichen und montags über eine Hotline in der Zeit von 10.00 - 12.00 Uhr unter der Telefonnummer 0202 / 97 444 555.
Kontakt: Anke Lichte
Telefon: 0202 / 974 445 – 41
Mail: alichte@diakonie-wuppertal.de